Poetic Recording
Es ist Spätsommer oder früher. Die Sonne schien milde. Der Wind zwischen Wolkenkratzern wehte wild, denn über Frankfurts Dächern kürten wir sechs Preisträger. Wir vernetzten uns, besprachen und informierten, wir inspirierten einander in Praxisforen und genossen eine spannende Preisverleihung. 24 Brückenbauer*innen wurden heute prämiert, weil ihr Schaffen vor allem Gemeinschaft bewirkt. Teilhabe, Vielfalt und Inklusion. Ein Weg, für den sich das Kämpfen lohnt.
Ihr alle vermittelt, verbindet, knüpft neue Netze unermüdlich, um Zukunft in Gang zu setzen. Ihr feilt an Dialogen zwischen Kulturen als Vorbilder, wegweisend auf allen Fluren. In einer Zeit, die genau das so nötig hat. Einer Demokratie, die für so viele Platz hat. Für ein Land, das zusammenführt, statt zu spalten, das nach vorne denkt, statt rückwärtszuschalten. Wir kürten urbane Räume und ländliche Kleinstadt. So viele kleine Zellen, die so Großes schaffen.
Aber langsam. Vorher hörten wir eine Talkrunde und drei Praxisforen. Hier wurden Analysen und Pläne entworfen. Birgit Mandel, Tobias Knoblich und Lene ter Haar sprachen über cultural governance und vor allem Teilhabe.
Wie lief das denn all over in Europa?
Deutschland fördert künstlerische Autonomie. Vermittlung hat auf‘s Programm wenig Einfluss, hier doch eine eigene Agenda, die freiwillig wirkt durch vielfältig partizipative Strategien. Dabei gibt es diesen deutschen Ewigkeitswahn. Es bleibt gefördert, was immer gefördert war. Doch vielleicht wird auch mal katastrophisch was enden. Learning by burning sagt Knoblich. Will man so enden? Er wollte nur Mut machen, sagt er. Aha. Na ja.
In Frankreich werden öffentliche Aufträge vergeben. Um Zielgruppen einzubeziehen, werden 7 Milliarden vergeben. Englands Strategie: Let's engage! Und vergibt 5 Milliarden. Doch man muss sich bewerben und bewähren, um sie zu erhalten.
Die Professionellen fühlen sich drangsaliert, erfolgsabhängig finanziert und als Bedingung formuliert.
Die Niederlande verpflichten zwar zu nichts, aber man muss es trotzdem machen. Am Ende fühlt es sich an, als hätte man es selbst gewollt. Woran erinnert mich das? Na ja, was soll's. 75 % der Niederländer finden das Museum unentbehrlich. Aber was geschieht nun? Linkes Hobby oder elitär? Es finden sich Lücken im System.
Also, was tut man kulturpolitisch hierzulande? Das haben wir gehört: Passiert viel freiwillig, durch zusätzliche Mittel finanziert und verwirklicht. Denn wir fürchten die Pflicht in der Kunst ja historisch.
Was aber brauchen Kulturschaffende, um ihre Arbeit zu tun? Hierarchien glattbügeln, nah am Publikum andere reinholen, freie Träger integrieren statt konservieren und pampern und sakralisieren? Nicht der Bürger ist das Schlimmste, was uns passiert.
Eine vom Markt befreite Zone. Ja, nur nicht eventisieren, sondern prägen, ganz differenziert. Es geht nur zusammen und gegenseitig inspiriert.
In diesem Sinne forschte Workshop Nummer eins. Wenn Menschen, die sich sonst nicht begegnen - vereint durch Musik - als Impulsgeber für Zusammenhalt. Im Gewandhaus Leipzig und Friedenskreis Halle. Wir hören ein Orchester für alle. Raus auf die Straßen, lasst die Stimmen erklingen, die sonst leise abwarten. Ein vielstimmiger Abend mit demokratischem Tanz, diverse Klänge für alle und ein zufällig bunter Bürgerrat.
In Workshop zwei wurde kommuniziert, und zwar mit allen Playern im Spiel. Tagesaktuell mit Bezug zum Publikum. Was ist wichtig für euch? Das ist euer Anspruch. Wie wird Kunst heutzutage im Städel vermittelt? Über Social Media, Community Events, Initiativen? Barrierefreiheit, zum Beispiel, als wichtiger Punkt um Zugänge zu schaffen für verschiedenste Gruppen.
Workshop drei. Mut zur Veränderung für mehr junge Menschen in Mitbestimmung. Die Kunsthalle Bremen als Kultureinrichtung mit Partizipation, aktiver Programmausrichtung, Kinder und Jugendliche integriert. Findet nicht jeder gut. Doch es fruchtet am Ende, braucht Geduld und braucht Mut. Wenn man es erst mal geschafft hat die Jungen heranzuschaffen. Wie sollen wir uns das vorstellen? Die Jungen einfach auf der Straße einsammeln, und sagen: „Los, rein mit euch!“ – dann klappt es schon? Irgendwie wird es schon schief gehen. Oder kann. Wie ist es, jung zu sein? Fragen Sie nur per se, Präsenz tut gut. Wenn du mitmachen willst, dann trau dich, nur zu!
Nach Schweiß und Drang dann endlich die Preise. Ruben an der Tuba. Alle fiebern mit, die Jury lädt ein.
Doch vorher begrüßte sie Christian Hassel. Er betont Kultur ist wichtiger denn je. Wir sind gewachsen. Ein bunter Mischwald, der Frischluft schafft. Wir brauchen so dringend diese Luft zum Atmen. Kultur ist ein Gegenpol, ein Gewicht in unserer Demokratie. Sie beeindrucken uns nicht nur, die Jury, durch ihre Initiativen. Kunst und Kultur sind Motoren ins Morgen. Sie erlauben durch Körper, Töne, Farben und Worte Unsichtbares, Unsprechbares sichtbar zu machen und somit nicht zuletzt Hoffnung zu schaffen.
Birgit Mandel wants to change the audience. Hildesheim, nicht Heidelberg. Wir müssen uns selbst verändern, mahnt sie deutlich. Um alle zu erreichen, jenseits von Milieudickicht. Also neu erfinden, neu probieren, Fehler machen und nachjustieren.
Denn auch ZukunftsGut lernt und verändert sich. Diese Bewerbungen waren so mannigfaltig. Theater als dritter Ort bis transkulturelles Ensemble, selbstgedrehte Filme, Bürgerbeiräte, die selbst Kultur formen. Ihr öffnet und wandelt euch. Aber braucht man den Preis wirklich noch? Der Outreach ist da. Alle öffnen sich und es gibt öffentliche Förderung wie nirgendwo. Aber als add on und in Nischen verordnet. Das Haus orientiert sich weiter am Kernklientel. Was soll das Fachpublikum und das Feuilleton denken? Es braucht euch weiter, um Kultur zu erreichen. All die nicht Erreichten doch zu erreichen. Musik im Leben, ja, neue Gruppen einbinden. Es ist noch so viel zu tun, bis das endlich gelingt. Und zwar dauerhaft für ein gutes Zusammenleben mit durchlässig diversen Teams, die Wege ebnen. Die neuen Krisen und Ansprüche dieser Welt schaffen Dringlichkeit in uns, so vieles zu verändern.
In der Kategorie Urbane Räume hat Platz drei geschafft, die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Platz zwei: Das Literaturhaus Freiburg - vermittelt innovativ Weltliteratur. Herzlichen Glückwunsch! Weiter so! Platz eins: Das Deutsche Hygienemuseum. Die Community kümmert sich um Diversität. Ein Museum für alle. Ein partizipativer Kopf des Wandels in einer Zeit, in der es eng und bedrückend scheint. Kulturkürzung droht unsere Werte auf Glatteis zu legen. Da ist Kulturvermittlung wichtig und Menschen Mut zu machen, sich zu äußern, sich auszudrücken. Ihre Hoffnung, ihre Ideen und auch ihre Wut.
In den ländlichen Räumen erreichte Platz drei die Stiftung Theater Lindenhof, weil sie Theater nah mit den Menschen vereint. Der zweite Preis geht an Quillo e. V.: Zeitgenössische Klänge fluten den Raum. Das Museum Friedland ist der Gewinner hier, weil sie es schaffen Migrationsgeschichten zu verbinden. Früher und heute, dort drüben und hier. Es entstehen Dialoge, Verständnis, Empathie. Ein Band zwischen Menschen, die Flucht erlebt, und solchen, die schon seit Generationen hier leben. Im ländlichen Raum, sagen sie, geht es vor allem um Outreach. Wie um Himmels willen wollen die Menschen hier hin? Wenn so ein Ort auf der Grenze liegt. Diese Verkehrsverbünde sind für Schulen ein ganz und gar unmögliches Ding! Und dann gibt's nichts zu essen. Das geht gar nicht. Das sind alles Dinge, die es zu bedenken gilt. Ein altes Denkmal vor Ort soll verwandelt werden. Wie ist das, an Krieg erinnert zu werden im eigenen Land? Wenn ich neu hier bin und dann so einseitig? Es gedenkt nur den Vertriebenen.
Deniz Elbir erzählt im Folgenden ein paar Anekdoten. Von Migrationsvordergrund und wie man umgeht mit rechten Besuchern. Es gibt ein Problem. Wir müssen drüber reden und ihr öffnet Räume, in denen das geht.
Katherine Heid singt ein leidenschaftliches Lied auf die transkulturelle Orchesterakademie und auf euch alle. Euch kann man sich nicht entziehen. Mit dem Preisgeld wagt man sich hier an Lehrpläne. Was für ein Glück! Können die Kids das durch euch endlich erleben?
Prasanna Oommen spricht zu Quillo mit einem leichtfüßigen Satz: Denn die Rechte darf nicht diese Felder besetzen. Ihr wirkt am Fluss. In der Uckermark bringt er Menschen zusammen. Seit über 20 Jahren verbindet ihr sie in Wohnzimmer-Formaten und macht zeitgenössische Klänge. So nahbar, bleibt dabei straight und unkorrumpierbar. Wir müssen nicht Mainstream werden, sondern ganz echt bleiben und so die Begeisterung wecken.
David Vuillaume weiß übers Hygienemuseum. Sie betreiben Mehrsprachigkeit und Fokusgruppen systematisch und super strategisch von innen nach außen. So vorbildlich.
Clara Wengert spricht zu Freiburg und den Erzählcafes. Ein wunderbarer Ort, der die Umgebung prägt.
Astrid Kiessling- Taskin reist zuletzt auf die Schwäbische Alb. Die erwärmen einem das Herz als Ort für alle, in den kleinen Dörfern. Bringt ihr Kinder zum Lesen, wandert poetisch, tankt Strom auf immer neuen Wegen. Und sie weiß 1000 Gründe, um sich ganz bald zu euch zu begeben.
Und weil wir alle so toll und unbeschreiblich sind, gibt es Preise für alle. Wie unfassbar gut. Ich würde sagen, wie unvermeidlich bei so viel Leidenschaft und so viel Exzellenz. Glückwunsch an alle. Christian sagt sehr, sehr gerne. Und Ruben legt derweil seine Klänge auf Dinge und brachte den Raum und die Körper zum Klingen. Was für ein unfassbar dichter Nachmittag. Ihr habt geredet, euch vernetzt, zusammen gefeiert, geplant. Ihr habt wohlverdiente Preise vergeben und kulturelle Vielfalt mit kräftigen Stimmen versehen.
Wir sehen uns wieder. Ganz sicher bin ich mir da bei mir nicht. Aber ihr seht euch wieder. Ganz sicher. Im übernächsten Jahr bei eurem one and only Kulturvermittlungs-Oscar.
Für eine bunte Kultur. Eine, die Hände reicht, Gesellschaft verbindet und Zugang erleichtert. All ihr Brückenbauer, bleibt gerade. Nur weiter so! Diese Welt braucht euch, egal was passiert, immerfort. Vielen lieben Dank.
Dankeschön.
Dominique Macri